Industrie und Natur
Zur Geschichte des Hartsteinwerkes im Murnauer Moos
15.12.2000 - 25.02.2001
Industrie und Natur
Zur Geschichte des Hartsteinwerkes Werdenfels im Murnauer Moos
Ende des Jahres 2000 wird der Gesteinsabbau im Hartsteinwerk Werdenfels, lange Zeit größtes Werk seiner Art in Bayern, nach mehr als 70 Jahren eingestellt. Anlaß genug für eine Sonderausstellung im Schloßmuseum Murnau, nicht nur die wechselhafte Geschichte des Steinbruchbetriebs am Langen Köchel zu dokumentieren, sondern auch die begleitenden Auseinandersetzungen mit dem Naturschutz, die zur Einstellung des Gesteinsabbaus führten, darzulegen.
Köchel im Murnauer Moos
Mitten im Naturschutzgebiet Murnauer Moos erheben sich Gesteinskögel ("Köchel"), die in der Kreidezeit vor 100 bis 200 Millionen Jahren entstanden sind und aus extrem hartem Gestein, dem Glaukoquarzit, bestehen. Die Qualität und das äußerst seltene Vorkommen des Glaukoquarzits in Bayern, der sich bei Untersuchungen im Jahr 1926 als für den Tiefbau geeignet herausstellte, führten zur Gründung zweier Steinbrüche im Murnauer Moos. Am Moosberg begann der Bezirk Weilheim bereits im selben Jahr mit dem Abbau. Ihm mußte eine römische Siedlung aus dem 3./4. Jahrhundert n. Chr. weichen. Das Hartsteinwerk Werdenfels (HWW) nahm 1930 am Langen Köchel den Betrieb auf. Kein Geringerer als Max Beckmann hat 1934, als er wegen persönlicher Angriffe von politischer Seite in Ohlstadt bei Murnau zurückgezogen lebte, beide Steinbrüche in Gemälden festgehalten. Seine Darstellung der in die Natur eingreifenden Industrie läßt sich dabei als persönliche Metapher für die damalige politische Bedrohung durch die Nationalsozialisten deuten.
Zur Geschichte des Gesteinsabbaus
Das Hartsteinwerk Werdenfels wies bereits in den Anfangsjahren einen hohen technischen Standard auf.
Die Fülle des Glaukoquarzitvorkommens und vor allem die konkurrenzlose Lage sicherten dem Betrieb Straßen- und Flußbauämter, Kommunen und Baufirmen als Auftraggeber. Vor allem die damalige Reichsbahn war Großkunde dieses leistungsfähigen Lieferwerks für den Schotterbedarf. Ein Besitzerwechsel ermöglichte im Jahr 1947 die ersehnte Neufinanzierung und ließ das Werk seine Stellung in der Hartsteinindustrie ausbauen. Das Wohlergehen der Belegschaft im Blick, errichtete das HWW in den 1950er Jahren nicht nur eine neue Kantine am Steinbruch, in der ledigen und ausländischen Arbeitern Übernachtungsmöglichkeiten geboten wurden, sondern auch eine Wohnsiedlung in Eschenlohe für verheiratete und kinderreiche Werksangehörige. In den 1950er Jahren war es das größte und modernste Werk seiner Art.
Technisch geriet das Werk jedoch in Rückstand - bis 1981 fuhren z. B. Lkws aus den 1950er und 1960er Jahren, auch Seilbagger aus dieser Zeit taten noch ihren Dienst. In den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg etablierte sich im HWW eine eigenständige, reiche Betriebskultur, zu der auch eine moderne Firmenleitung vieles beitrug. 1981 wurde das Werk von dem Essener Baukonzern HOCHTIEF übernommen. Mit Umbauten und erneuerter Technik wurde das Werk modernisiert und trotz seiner Lage im Murnauer Moos und der andauernden Auseinandersetzungen mit dem Naturschutz um ein neues Abbaugelände profitabel geführt. 1994 verlor das Hartsteinwerk das entscheidende Verwaltungsgerichtsverfahren und stellt nun mit Ablauf des Jahres 2000 den Betrieb ein. Zu Ausstellung und Katalog
Anhand von Arbeitsgeräten, historischen Fotos und Dokumenten bietet die Ausstellung einen vielseitigen und abwechslungsreichen Blick auf eine Unternehmensgeschichte, die immer auch Spiegel der Zeitgeschichte war.Die düsteren Kapitel des NS-Regimes mit der Verpflichtung von Zwangsarbeitern kommen dabei ebenso zur Sprache wie die oftmals unkonventionellen Methoden der Firmenleitung, das Werk und seine Belegschaft unbeschadet durch die Nachkriegsjahre zu führen. Es erscheint ein reich bebilderter Katalog mit ca. 150 Seiten, der eine umfassende Dokumentation über Firmengeschichte und Produktion enthält und mit vielen historischen Aufnahmen einen anschaulichen Einblick in den Arbeitsalltag des Hartsteinwerkes gibt. In welcher Weise man sich Landschaft und Technik unter ästhetischen Gesichtspunkten nähern kann, zeigen darüber hinaus die im Herbst 2000 entstandenen Kunstfotografien von Wolfgang Kleber.
Begleitend zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.