Maria Forster mit Kindern und Personal vor der ehemaligen Wachszieherei und Konditorei Forster (heute Cafe Krönner) im Obermarkt 8, um 1910, Schloßmuseum Murnau, Bildarchiv


Markt Murnau – Handel und Gewerbe

Murnau ist nicht erst heute ein beliebter Marktort - schon im Mittelalter gab es hier geschäftiges Leben. Die Bevölkerung lebte in hohem Maße vom Warenhandel, denn der Ort lag an dem bedeutenden Handelsweg, der von Oberitalien über die Alpen nach Augsburg führte. Als die gute Wirtschaftslage durch die wachsende Bevölkerung, wegen des nachlassenden Handelsverkehrs auf der Rottstraße und aufgrund der Folgen des 30jährigen Krieges im 17. Jahrhundert nachließ, suchten die Bewohner neue Haupt- und Nebenerwerbszweige.

Neben der Siedlungsgeschichte und der Entwicklung des Marktes Murnau, werden als örtliche Besonderheiten drei Hausgewerbe herausgestellt:

die Hinterglasmalerei der Region, eingebettet in die übergreifende, jahrhundertelange Geschichte der Hinterglaskunst,

die Federblumenherstellung und

Lebzelterei.


Danach wurde Murnau mit der Erschließung des Ortes durch die Eisenbahn ab 1879 zum Sommerfrischeort, an dem sich zugleich Städter in komfortablen Landhäusern niederließen und sich zahlreiche Künstler einfanden.


Qualitätsvolle Hinterglasmalerei

Murnau stand in ständigem kulturellen und wirtschaftlich Kontakt zum Kunstzentrum Augsburg, einige der Murnauer Glasmaler erhielten dort ihre Ausbildung, so daß auch die Murnauer im 18. Jahrhundert eine sehr qualitätvolle Hinterglasmalerei hervorbrachten. Ihr Stil und ihre Motive waren von der spätbarocken Tradition Oberbayerns geprägt, die sie unmittelbar über meist in Augsburg gedruckte Kupferstich-Vorlagen für ihre Bilder übernahmen.

Im 19. Jahrhundert führte die wachsende Nachfrage nach diesen Bildern auch in kleinbürgerlichen und ländlichen Kreisen in Murnau und dem nahegelegenen Seehausen, Uffing und Oberammergau zu einfacheren Bildtypen: man malte Bilder, die nur die Hauptformen der Figuren und Szenen in dunklen Konturen und in leuchtenden Farben wiedergaben. Diese Bilder wurden in größeren Serien und unterschiedlichen Größen für einen Massenbedarf produziert. Charakteristisch blieb in dieser Region jedoch das Nebeneinander von malerisch anspruchsvollen Bildern und routiniert in Serienherstellung gemalter Tafeln populärer Art. In Murnau waren um 1760 drei Malerfamilien tätig, um 1800 gab es zehn namentlich bekannte Maler in Murnau, die vom Aufschwung des Gewerbes und seinem größten Umfang im späten 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeugen.

Verleger in den Staffelseeorten, in Augsburg und in Oberammergau übernahmen den Handel über ihre weitverzweigten Handelsnetze in Deutschland und in europäischen Zentren. Landhändler (Hausierer) gingen teils im Auftrag der Verleger, teils eigenständig, wochenlang mit der Kraxe auf dem Rücken zu Fuß von Ort zu Ort und verkauften ihre Waren:
"...Sein Verlag ist sehr dick und er hat dabei ein schönes Vermögen gesammelt. Er hält das ganze Jahr hindurch einige dreißig Kerle, die mit Butten auf den Rücken, oder mit Karren voll heiliger Sermone ganz Tyrol, Baiern, Schwaben, Franken und Oesiereich durchstreifen, und den gemächlichen Pfarrern das Futter für ihre geistliche Herde auf Jahre lang verkaufen." (Johann Pezzl über den aus Seehausen stammenden Augsburger Verleger Rieger, 1784).
Diese Beförderungsart hatte den Vorteil, daß die Waren auf kleineren, schlechten Saumwegen leichter und sicherer transportiert und auch abgelegene Orte und Käuferkreise erreicht werden konnten. Für das Jahr 1790 werden in Murnau 56 Landhändler genannt.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts verdrängten die neuen farbigen Lithographien die Hinterglasbilder und es war in Murnau und Uffing in den 1860er Jahren kein Hinterglasmaler mehr tätig. Neuer wichtiger Erwerbs- und Nebenerwerbszweig wurde der Fremdenverkehr. Nur vereinzelt wurde die Hinterglasmalerei noch weiter gepflegt.


Heinrich Rambold

Heinrich Rambold in seiner Murnauer Werkstatt, um 1920, Fotografie, Schloßmuseum Murnau, Bildarchiv
Um die Jahrhundertwende nahm der Murnauer Rotgerber Heinrich Rambold (1872 - 1955) die Hinterglasmalerei auf und verkaufte nun auch an einen neuen Abnehmerkreis: die "Sommerfrischler". In dieser Zeit wurde das volkstümliche Hinterglasbild auch von volkskundlich Interessierten im Zusammenhang mit einer angestrebten Wiederbelebung der Volkskunst neu entdeckt.

Unabhängig davon sammelte der Murnauer Braumeister Hans Krötz seit dem späten 19. Jahrhundert Hinterglasbilder aus dem Staffelseeraum und trug bis zu seinem Tod im Jahre 1919 etwa 1.000 Bilder zusammen. Bei ihm lernten auch die Künstler der "Neuen Künstlervereinigung München" und des "Blauen Reiter" diese volkstümlichen Hinterglasbilder kennen und ließen sich von diesen reizvollen Bildern anregen. Sie begannen selbst in dieser Technik zu arbeiten und malten zunächst nach den historischen Vorbildern, bald nach eigenen Entwürfen.

In seiner Werkstatt war es auch, als Gabriele Münter, Wassily Kandinsky und Alexej Jawlensky ihm beim Malen über die Schulter blickten. Vor allem bei Gabriele Münter lassen sich Kopien nach Bildern von Rambold nachweisen:
„Bei Rambold sah ich, wie man es machen kann. Ich war in Murnau – soviel ich weiß – die erste, die Glasscheiben nahm und etwas machte. Zuerst Kopien, dann auch verschiedene eigene Dinge […] ich war entzückt von der Technik und wie schön das ging […]“.

Hl. Scius, nach Heinrich Rambold, Hinterglasbild, um 1920, Schloßmuseum Murnau
© Schlossmuseum Murnau